Steniger Weg
14.-16.03.2020
Vor Tagen habe ich mit meiner ehemaligen Motorradversicherung Kontakt aufgenommen. Ein neuer Versicherungsausweis wurde zur "Motorfahrzeugkontrolle" geschickt, um Gabriel neu einlösen zu können. Während ich Gabriel vom Flughafen abholte, versuchte mein bester Freund zu Hause mein Motorrad einzulösen. Einlösen und mir die Nummer zuschicken, das war die Idee. War aber Nix mit neu einlösen. Ich muss zuerst in der Gemeinde, die ich als zukünftiger Wohnsitz angegeben hatte, angemeldet sein. Erst dann ist die offizielle "Wieder-Einlösung" möglich. Ich machte mich im Internet schlau und fand heraus, dass ich neben anderen Dokumenten, auch ein Versicherungsnachweis von der obligatorischen Krankenkasse vorlegen muss, um mich in einer Gemeinde "Anmelden" zu können. Ich forderte bei der billigsten Krankenkasse eine Offerte ein. Falls ich eine obligatorische Krankenversicherung (Unfall mit eingeschlossen) aus der Ferne abschliessen kann, besteht vielleicht die Möglichkeit, dass mich meine Schwester auf der Gemeinde schon vorzeitig anmelden kann und ich so doch noch zu einem neuen Nummernschild gelange. Ich schrieb also noch eine E-Mail an die Bürgergemeinde und schilderte darin meine Situation. Alles in die Wege geleitet, warte ich jetzt auf hoffentlich positive Antwort. Doch warten ist im Moment keine gute Idee. Ich warte nämlich in einem Krisenherd. In Madrid herrscht Ausgangssperre. Die Läden haben geschlossen und alles erscheint wie ausgestorben. Proviant einkaufen zu gehen ist erlaubt, alles andere ist untersagt. Rein theoretisch darf ich mich also nicht auf den Heimweg begeben. Ich habe mein Bestes versucht, meine Rückkehr zu organisieren. Mit geringem Erfolg. Gabriel irgendwo einstellen und versuchen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu reisen wäre eine weitere Möglichkeit. Eine legale, jedoch auch nicht unproblematische Reise, werden schon überall die Grenzen geschlossen. Ausserdem wäre es für mich eine kleine emotionale Katastrophe, ohne Gabriel nach Hause zu reisen. Apropos "Emotionale Katastrophe": Ich stecke tatsächlich in einer kleinen "emotionalen Krise". Ich bin hier im Hotel sozusagen eingesperrt, durch die Bürokratie gestaltet sich die Reise zurück in die Schweiz komplizierter als ich angenommen hatte und nicht zuletzt fehlt mir Andrea ganz toll.
Unter diesen Umständen freue ich mich keines Wegs auf die letzten Kilometer meiner Reise. Ein entspannter problemloser Abschluss erhoffte ich mir. Stattdessen bin ich ein wenig frustriert und traurig. Ein steiniger Weg liegt vor mir.
Ein Erfolg kann ich jedoch verzeichnen. Meine Reiseversicherung hat mir einen grossen Teil der Kosten für die Chirurgie zurückerstattet. Ich kann so das Geld, das mir Andrea ausgeliehen hatte, abschliessend zurückzahlen.
Nun, wie weiter mit meiner Reise? Meine Hand ist mittlerweile kräftig genug um Gabriel zu lenken. Abgesehen davon sind mir die Hände gebunden. Mit dem Bewusstsein nicht legal zu reisen, werde ich morgen versuchen die Stadt zu verlassen. Ich will nicht länger warten. Ich muss raus hier, bevor alle Grenzen geschlossen werden. Bevor der Coronavirus gänzlich Überhand nimmt und alle Auswege blockiert werden.
Am besten weit ab vom Geschehen, raus in die kräftige energiespendende Natur. Mit Gabriel, genügend Proviant und meinem Zelt.